oder: Mein Wochenende in Halle

Julia Neigel, die "Regen"-Duettpartnerin bei Dieter Birr´s Solo-LP, sollte wie schon einige
Musiker zuvor die private DVD-Fanproduktion "Maschine Record Release Konzert" als Erin-
nerung an das im Berliner Kesselhaus stattgefundene Event erhalten. So lag es nahe, ei-
nes ihrer Konzerte zu besuchen. Anfang Februar Tourplan gecheckt, Karte be- und dann
festgestellt, das ich genau an diesem Tag eigentlich eine 45 Jahre alte Band in Bad Lipp-
springe erleben wollte. Doch es gab genug Gründe, am Freitag, den 13. März an die Saale
zu reisen. Einer war eben Neigels Gastspiel.
Um nicht allein ins Steintor gehen zu müssen, lud ich kurzerhand eine liebe Freundin
ein, die sich im Laufe des Wochenendes als perfekte Gastgeber- und Fremdenführerin ihrer
Heimatstadt herausstellen sollte. Am späten Nachmittag begrüßte ich meine Begleiterin.
Wir zogen los zum Steintor, ich liebe Tramfahren (gibt es bei mir zuhause nicht) und ich rief verabredungs-
gemäß um 18°° Uhr den Tourmanager an, der das Treffen ermöglichen sollte. Doch aufgrund einer Bespre-
chung hatten wir dann doch noch eine Stunde Wartezeit zu überbrücken.
Zu kalt zum Rumstehen, zeigte mir Dani bei einem kleinen Spaziergang zB die einzige zahnmedizinische Uni,
an der schon die Studenten am lebenden Objekt Hand anlegen dürfen. Die alte Post, der Marktplatz mit den
5 Türmen (bei Regen sind´s 10 ) (vier gehören zur Marktkirche, einer zum Roten Turm), dem Stadt-
haus und der Ratshof waren weitere Stationen. Da war noch etwas - richtig, dem Erfinder der gleichnamigen
Broiler, Georg Friedrich Händel hat man mitten auf dem Platz ein Denkmal gesetzt. Außerdem erfuhr ich, das
für die Gründung der Stadt Halle ein Bauer, ein weiß glänzendes Schwein, Karl der Große, als "arm" verkleide-
te Menschen, eine Mauer, sowie Sonne, Mond und Sterne wichtige Rollen gespielt haben. (siehe Stadtwappen,
selbst auf Gullidecken zu finden)


Mittlerweile waren wir gegen 19°° wieder am Steintor und Herr Kossek (der Tourmanager) führte uns durch die
Gänge, die sonst dem Publikum verschlossen bleiben, direkt zur Garderobe von Julia Neigel. Sie nahm uns nach
einer sehr herzlichen Begrüßung mit in einen Nebenraum, wo wir ein wenig plauderten. Sie erinnerte sich noch
genau an die Arbeiten im Tonstudio im Dezember 2013, den EPK-Videodreh und natürlich an das Highlight, dem
Auftritt in der Kulturbrauerei am 25. März 2014. Nachdem ich mein Geschenk überreicht hatte, blieb nur noch ganz
wenig Zeit für Autogramme, doch zum Schluß hatten Dani und ich Julias Signaturen auf Karten und Tonträgern.
Schon mussten wir uns verabschieden, für die Künstlerin war noch Make-Up und Garderobewechsel angesagt.


Wir mischten uns wieder unter das Volk und ich lernte Franzi, eine Netzbekanntschaft, persönlich kennen. Dani und
ich hatten das Glück, das unsere beiden Plätze trotz unterschiedlichem Ticketkaufdatum nebeneinander in der ersten
Reihe lagen. Dort warteten wir noch einige Minuten auf den Konzertbeginn um kurz nach 20°°Uhr. Wir schauten uns
um und ein wenig mehr Publikum rechts und links außen und auf den Rängen hätten nicht geschadet. Die vier Musi-
ker Chriss Gross, Raoul Walton, Joerg Dudys und Simon Nicholls betraten die Bühne und nahmen an ihren Instrumen-
ten Platz. Dann tauchte Julia Neigel auf - ganz in schwarz, trägerloses Oberteil zum kurzen Rock.

Was jetzt folgte, muß man erlebt haben, beschreiben kann ich Musik sowenig wie ich Architektur
tanzen kann. Fotos von mir gibt es keine (zu schlechte Quali), dafür am Ende ein paar bewegte
Bilder. Ich schreibe mal einfach aus dem Gedächtnis heraus, ohne Wert darauf zu legen,das ich
mich an jeden Song erinnere. Der vollständige Ablauf ist auf der Setlist zu sehen. Was haften ge-
blieben ist: Mit einem Liebeslied, ganz ruhig und leise, begann der Abend. Bei "Paradies" ging
dann die Post ab. Jetzt forderte Julia uns Publikum auf, den Refrain des nächsten Stückes mitzu-
singen: "Di-di-di-di-di" sang sie vor, ein-, zweimal und dann startete "der perfekte Tag". Das Julia
nicht nur eine gewaltige Stimme hat, sondern auch Texte schreiben kann, merkten wir spätestens
bei dem Peter-Maffay-Song "Gib die Liebe nicht auf", er ist von ihr. Wie facettenreich das Programm
auf der Bühne doch war. Nach einem auf dem 2006er Album gepressten Gospelsong folgte das in
2010 veröffentlichte "Wir sind frei". An "Ich fühls nicht mehr" erinnere ich mich auch.
Nach einer guten Stunde verabschiedeten sich die fünf Akteure in eine 25-minütige Pause, die von vielen gegen die
Unterhopfung, -traubung oder -nikotinung genutzt wurde.
Nur mit der Begleitung von Simon Nicholls Tastenspiel begann Julia, jetzt in einer silbrig glänzenden Jeans zum ei-
fachen schwarzen T-Shirt, mit "Du bist nicht allein" den zweiten Teil dieses schon jetzt unvergessenen Abends.
Dann wagte die Sängerin ein Experiment und trug "Weil ich dich liebe" ganz ohne Mikro vor. Doch die gewaltige
Stimme erreichte auch ohne elektrische Verstärkung selbst das in den Oberrängen hinten sitzende Publikum. Sagen-
haft. Daß Julia publikumsnah ist, hatte sie bereits im ersten Konzertabschnitt, als sie die gesamte erste Reihe abklat-
schte und/oder umarmte, bewiesen. Doch jetzt gipfelte diese Nähe zu den Fans, "Wärst Du bei mir" verließ
Julia die Bühne, um auf den Stühlen mitten im Publikum hin- und her zu tanzen. Sowas habe ich jedenfalls noch nicht
erlebt. Zurück auf der Bühne, erwies sich die Künstlerin obendrein noch als Lichtregieassistentin - sie dirigierte das
Spotlight bei dem weiteren Maffaysong "Freiheit, die ich meine", mal hierhin, mal dorthin. Insbesondere legte sie
Wert darauf, das bei den Solopianoelementen der zweimanualig spielende Simon Nicholls immer gut zu sehen war.
Der englisch gesungene Blues war nicht meins, was jedoch nicht an Neigel, sondern an meinen Musikgeschmack liegt.
Die letzen (?) zwei Songs, "Sehnsucht" mit einem tollen Text und "Alles was Du brauchst" - musikalisch-gesanglich-
darbieterisch weitere Höhepunkte. Der nicht endende Applaus mündete in "Zugabe-Rufe, die erst verhallten, als nach
den Musikern endlich auch Julia, mittlerweile zum dritten Mal in neuem Outfit (weißes Kleid, reich mit roten Elementen
verziert), die Bühne wieder enterte. Der jetzt folgende Konzertabschluß dauerte ganze 22(!) Minuten. Zuerst "Love
hurts" und anschließend der Song, der Julia Neigel vor Jahren bekannt machte: "Schatten an der Wand". Im Steintor
gab es allerdings die ExtraLong-Version, untermalt mit der Vorstellung der musikalischen vier Mitstreiter. Nach diesem
Evergreen gab es noch ein, nee zwei tiefe Verneigungen vor uns Publikum und ein an CITY erinnerndes Ritual
(habe das hier mal zusammengebastelt):

Mit einer Tramfahrt Richtung H.-Neustadt endete dieser erlebnisreiche erste Tag an der Saale.
Statt meiner grieseligen Fotos:






Was ich vergaß: Mitten in einem Song
riss eine Gitarrensaite (die G war es wohl).
und hinter den blau unterleg-
ten Textpassagen verstecken sich Videos!

Die Fotos von Dir bilden einen gelungenen Abschluß zum Konzerterlebnis.
Doch weil meine Überschrift auch einen Untertitel hat, hier noch ein paar Sätze zum Wochenende, die ich noch los-
werden möchte. Mein musikalisches Wochenende ging ja weiter:

"Ein bischen Puhdys ist auch dabei, wenn wir uns auf den Spuren der kleinen Nixe Hallelore nachher die Stadt an-
schauen", versprach Dani, bevor sich unsere Wege am Samstag vormittag trennten, sie war leider dienstlich noch
gebunden. So machte ich mich zunächst allein auf den Weg.
Vorbei an der Marktkirche mit ihren fünf Türmen
(hier sind drei) xxxxxxxxxxxxxxxxxxxund an dxxxxxxund an diesem Gebäude

vorbei gelangte ich hierhin. Auf drei Etagen schaute ich mir den Werde-
gang der kommerziell erfolgreichsten Band von der Vor-Beatles-Zeit
Ende der 1950er über den ersten Deutschland-Auftritt am 17. August
1960 im Hamburger Club "Indra" und die Höhepunkte Mitte der 1960er
bis hin zur Auflösung der Gruppe 1970 an. Die folgenden Soloprojekte
der Musiker sind in weiteren Räumen zu besichtigen.

Zeitungsausschnitte, Platten, Videos, Fotos, Poster, originale und origi-
nelle Ausstellungsstücke sowie Merchandising-Produkte aus allen Jahr-
zehnten - ich glaube, es gibt nichts, was es in diesem Museum über die
sieben (?!) (vier Liverpooler, ein Sauerländer und den beiden anfänglich
dabeigewesenen) Pilzköpfe nicht zu sehen gibt. Empfehlenswert ist das
mittlerweile über 25 Jahre alte Museum nicht nur wegen der sehr mode-
raten Preise in der kleinen Cafeteria, in der ich bei einem Täschen Kaffee
und einem Stück Saale- ääh Donauwelle alte BRAVO´s dürchblätterte,
sondern auch wegen des im Foyer eingerichteten Shops, wo Beatles-Fans
und Souvenirjäger voll auf ihre Kosten kommen können.


Die PUHDYS im Raum 7
(Diese Ausstellungsstücke waren noch nicht die Überraschung, die mir Daniela morgens angekündigt hatte...)

Nach einem asiatischen Mittagssnack auf dem Marktplatz (Foto siehe Beitrag #1), einem Spezialitäteneinkauf
(Halloren-Kugeln), einer Stippvisite des wegen des nassen Wetters nur aus fünf Ständen bestehenden Antik-
floh- auf dem Hallmarkt mit seinem die hallesche Stadtgeschichte erzählendem Göbelbrunnen und einer Tram-
bzw Autofahrt traf ich Daniela wieder, die mir später anhand der Figuren am Brunnen die Historie der Salzstadt

ein Stück näher gebracht hat.
Allerdings nicht mit langweiligen Geschichtszahlen oder trockenem Wiki-Wissen, sondern mit liebevoll erzählten
Geschichten und Sagen über Nixen, Halloren, fliegenden Mänteln und allerlei Getier, die mich schon bei unserer
gerade gestarteten Wanderung über/durch den Weinberg aufmerksam zuhören ließen.

Links im Panoramafoto ragt der Turm der Burg Giebichenstein, von dem der
Sage nach zu König Heinrich des IV.´s Zeiten Graf Ludwig hüpfte und sei-
nen Beinamen "Springer" erhielt, in den Himmel. Der Halbkreis daneben, die
Großflugvoliere gehört wie der Aussichtsturm zum Bergzoo der Stadt; die
Hochhäuser rechts im Foto gehören zu(r) Neustadt. Zu der darunter hinter Gebüsch versteckten Kröll-
witzbrücke sollte unsere Wanderung über verschlungene Pfade führen.

Die beiden Tiere, die beim letzten Hochwasser 2014 fast komplett unter Wasser standen, symbolisieren
das nordwestliche ländliche und südöstliche städtische Gebiet.
Von der Brücke blickten wir auf die Ober-und Unterburg, die
heute die Kunsthochschule beherbergt. Zur Namensgebung
erzählte Dani eine Geschichte: Dem römischen Feldherrn
Drusus, der hier eine Brücke bauen wollte, um weitere Teile
Germaniens zu erobern, erschien eine Frau. Ihrer Aufforderung
„Geh weg vom Stein!“ verdankt der Felsen den Namen „Giebich-
enstein“. - Durchgefroren machten wir uns auf den Rückweg,
wärmten uns auf und starteten erneut in die bereits dämmrige
Stadt. Jetzt erfuhr ich weitere Einzelheiten zur Stadtgeschichte
anhand der oben bereits erwähnten Brunnenfiguren. Auch zum rechts abgebildeten Esel, der auf Rosen
geht, hatte Dani eine, neh, zwei Geschichtchen parat.


Mittlerweile war es an der Zeit, unseren reservierten Tisch in
der Klausenstraße aufzusuchen. Das Ambiente des "Schad"s
passte genau zu dem heutigen Stadtrundgang-Tag, denn die
Inneneeinrichtung bildet viele Ecken der Stadt ab. So berühmt
wie das Fassadenwandbild (nur zwei Fenster sind echt!), so
prominent auch die Gäste, deren Namen auf den Stühlen stehen,
wo sie seinerzeit gesessen haben. Zu allem Überfluß gibt es ei-
ne Galerie der besonderen Art - und jetzt sollte sich Dani´s
Satz vom Anfang bewahrheiten - Ein bischen Puhdys...



Gut gestärkt gingen wir durch die kühle Abendluft noch an/durch weitere Sehenswürdigkeiten. Wir sahen den Dom
und das Geburtshaus des Broliererfinders, der auch der Händelhalle, einem modernen Theater, seinen Namen gab.


Das Fachwerhaus steht am Graseweg, der seinen Namen der Angst
der Hallenser vor der Pest verdankt, und kamen am Friedemann-Bach-
Haus vorbei an die umstrittene Hochstraße. Von dort aus erwischten
wir mit einem letzten Blick auf die Gebäude der Franckeschen Stiftung-
en eine Tram, die uns vorbei am technischen Halloren- und Salinenmu-
seum, in der noch heute nach traditioneller Art Salz gesiedet wird, nach
Hause fuhr.

Ein erlebnisreicher Tag ging und mein Bericht geht nun zuende, auch wenn jetzt längst noch nicht alles aufge-
schrieben ist. Eines steht jedenfalls fest - ich war nicht zum letzten Mal in der Salinenstadt, so gut hat mir die-
ses Wochenende gefallen. Mein ganz besonderer Dank geht an Dani, mit der ich diese drei Tage erleben konnte .